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So können Führungskräfte Deutschlands hartnäckigem Fachkräftemangel gegensteuern

So können Führungskräfte Deutschlands hartnäckigem Fachkräftemangel gegensteuern

VON Marco Nink

Trotz Stagnation der Wirtschaft ist Deutschlands Arbeitsmarkt auch 2024 weiterhin hart umkämpft. Arbeitgeber müssen dem akuten Fachkräftemangel gegensteuern, um den Aufschwung anzukurbeln. Unerlässlich dafür ist, talentierte Mitarbeitende erfolgreicher anzuwerben und zu halten.

Eine aktuelle Gallup-Erhebung zeigt, dass eine Rekordanzahl an deutschen Arbeitnehmenden (45 %) aktiv nach einer neuen Stelle sucht oder offen für Neues ist. Der Wert ist der höchste seit 2014 – dem Jahr, indem Gallup die entsprechende Frage erstmals in Deutschland stellte – und markiert einen deutlichen Anstieg im Vergleich zu 2019 (27 %).

Die geringe emotionale Bindung der Arbeitnehmenden verschärft die Situation weiter. Laut jüngsten Messungen von Gallup sind nur 14 % von Deutschlands Arbeitnehmenden hoch emotional gebunden, während der Anteil an Arbeitnehmenden ohne emotionale Bindung den höchsten Stand seit 2012 erreicht. Fast ein Fünftel der deutschen Arbeitnehmenden ist emotional nicht an ihren Arbeitgeber gebunden – sie geben an, dass ihre zentralen Bedürfnisse bei der Arbeit nicht erfüllt werden und werden ihren Arbeitgeber daher eher verlassen als emotional hoch gebundene Mitarbeitende.

Diese Ergebnisse stammen aus dem Bericht zum Gallup Engagement Index Deutschland 2023.

Was können deutsche Unternehmen tun, um ihre Mitarbeitenden emotional zu binden, somit zu halten und dem akuten Fachkräftemangel, der dem Wirtschaftswachstum im Weg steht, etwas entgegenzusetzen?

Führungsetage muss Einsatz zeigen

Mitglieder der Geschäftsführung können emotionale Mitarbeiterbindung fördern, indem sie die Qualität der erlebten Führung als einen strategischen Schwerpunkt für ihr Unternehmen definieren und es sich zur Aufgabe machen, an der Führungsqualität ebenso zu arbeiten, wie an Geschäftszielen.

Strategischer Wandel muss von der Unternehmensspitze ausgehen, die außerdem die Beziehung zwischen Führungskraft und Mitarbeitenden aktiv fördern und Führungskräfte dazu befähigen muss, die emotionale Bindung auf Teamebene zu stärken. Denn: 70 % der Varianz bei der emotionalen Mitarbeiterbindung im Team ist auf die direkte Führungskraft zurückzuführen, was sie zu einem zentralen Hebel bei der Verbesserung der emotionalen Mitarbeiterbindung im Unternehmen macht.

Viele der von Gallup untersuchten Unternehmen in Deutschland haben es geschafft, bis zu 63 % ihrer Belegschaften emotional zu binden (Deutschlands Arbeitnehmerschaft: 14 %). Der Schlüssel zum Erfolg ist eine Führungsetage, die sich für langfristigen und nachhaltigen Wandel einsetzt.

Mehr Unterstützung und Verantwortung für Führungskräfte

Viele Führungskräfte überschätzen, wie gut es ihnen gelingt, ihre Teammitglieder zu binden, zu motivieren und zu entwickeln. Denn auch wenn beinahe alle deutschen Führungskräfte (97 %) von sich behaupten, dass sie einen guten Job als Vorgesetzte machen, berichtet der Großteil der Arbeitnehmenden (69 %), dass sie schon einmal eine schlechte Führungskraft hatten. Andere Führungskräfte sind sich ihrer Defizite möglicherweise bewusst, werden von ihrem Arbeitgeber aber nicht dabei unterstützt, diese zu überwinden, und schlagen sich so gut wie sie eben können durch.

Unternehmen, die eine hohe emotionale Mitarbeiterbindung erreichen wollen, müssen Führungskräfte soweit „ausbilden“, dass diese in der Lage sind, ihre Teams zu coachen, zu motivieren, zu entwickeln und ihnen dabei zu helfen, ihre Leistung zu verbessern. 60 % von Deutschlands Führungskräften geben an, ein solches Training nicht erhalten zu haben. Angesichts der Tatsache, dass die meisten Führungskräfte kein natürliches Talent dafür haben, Menschen zu führen (und damit ihre Teams emotional zu binden), ist es unerlässlich, dass sie dafür hilfreiches, praxisnahes Training und Unterstützung erhalten.

Führungskräfte müssen außerdem wissen, wie es um die emotionale Bindung ihres Teams bestellt ist, wie ihr Team im Vergleich zu anderen Teams dasteht und wie sie die emotionale Bindung verbessern können. Gleichermaßen müssen sie für die Verbesserung der emotionalen Bindung ihres Teams und das Erreichen von Leistungszielen verantwortlich gehalten werden.

Mittels aussagekräftiger Daten und Informationen können Führungskräfte die Situation besser bewerten, sinnvolle Maßnahmen ergreifen und für Ergebnisse verantwortlich gehalten werden. Auch wenn Mitarbeiterbefragungen allein nicht die Lösung sind, können sie einen wertvollen Beitrag zum Dialog im Team, Maßnahmen und datengestützten Entscheidungen leisten.

Unternehmen brauchen Führungskräfte, die ihre Teammitglieder emotional binden können

Unerlässlich dafür ist, dass Unternehmen die Kriterien, anhand derer sie Führungskräfte auswählen und befördern, überdenken und regelmäßig ermitteln, wie gut Führungskräfte ihre Teams führen. Gleichermaßen müssen Unternehmen verstehen, dass es zum Verbessern der emotionalen Mitarbeiterbindung im Team Talent braucht. Werden Personen befördert, die nicht von Natur aus geborene Führungskräfte sind, kann sich dies negativ auf die Mitarbeitenden auswirken und deren Leistung dementsprechend beeinträchtigen.

Personen, die ein Talent für gute Führung haben, sind außerdem in der Lage, ihre Teammitglieder beim Erreichen ihrer Leistungs-, Entwicklungs- und Karriereziele zu unterstützen – Fähigkeiten, an denen es vielen deutschen Führungskräften fehlt.

In vielen Unternehmen werden Mitarbeitende mit der längsten Betriebszugehörigkeit oder der meisten fachlichen Erfahrung in Führungspositionen befördert, egal ob sie über Führungstalent verfügen oder nicht. Deshalb müssen Auswahl- und Aufstiegsverfahren so aufgesetzt werden, dass mit der Zeit mehr von jenen Führungskräften eingestellt bzw. befördert werden, die die notwendigen Talente besitzen, um ihre Teams emotional zu binden.

Emotionale Mitarbeiterbindung als Schutz in der Krise

Emotionale Bindung ist ein verlässlicher Prädiktor für Leistung, vor allem in einer Rezession, und emotional hoch gebundene Mitarbeitende können in Zeiten wirtschaftlichen Gegenwinds wie ein „Bollwerk“ wirken.

So zeigen etwa Teams, die sich in der globalen Gallup-Datenbank zur emotionalen Mitarbeiterbindung im 90. Perzentil befinden, dass sie in einer Rezession mit 80 % höherer Wahrscheinlichkeit eine überdurchschnittlich gute Leistung erbringen (mit Hinblick auf Finanzergebnisse, Kundenbewertungen und Fluktuation), verglichen zu Teams mit einem niedrigen Bindungsniveau.

Am anderen Ende des Spektrums haben Teams im 10. Perzentil der Datenbank zur emotionalen Mitarbeiterbindung nur eine 20-prozentige Wahrscheinlichkeit, überdurchschnittlich gute Arbeit zu leisten. Die Botschaft für Unternehmenslenker ist klar: In schwierigen Zeiten packen emotional gebundene Mitarbeitende eher mit an, um die Krise zu überstehen.

Auch wenn Deutschlands Führungsetage mit der schwierigen Wirtschaftslage und den erheblichen betrieblichen sowie wachstumsbezogenen Herausforderungen bereits alle Hände voll zu tun hat, darf sie die Qualität der erlebten Führung im Unternehmen nicht aus den Augen verlieren. In Zeiten der Ungewissheit und des Wandels rückt das Thema Personalführung zu Gunsten des Krisenmanagements oft in den Hintergrund. Unternehmen, die sich der emotionalen Mitarbeiterbindung verschrieben haben, verstehen, dass das eine nicht ohne das andere möglich ist.

Befragungsmethodik

Die Ergebnisse basieren auf Telefoninterviews (CATI), die vom 20. November bis 22. Dezember 2023 unter 1.500 zufällig ausgewählten abhängig Beschäftigten (18 Jahre und älter) in Deutschland durchgeführt wurden (Dual Frame: Festnetz- und Mobilfunkstichprobe; zufällige Auswahl von Telefonnummern, zufällige Auswahl der Zielperson im Haushalt mittels Geburtstagsverfahren bei mehr als einer relevanten Zielperson pro Haushalt). Die Stichprobe wurde nach Geschlecht, Alter, Bundesland, Beruf, Beschäftigungsstatus (Vollzeit- und Teilzeitbeschäftigung) und Anzahl der Arbeitnehmenden im Haushalt gewichtet. Die demografischen Gewichtungsvorgaben basieren auf den zuletzt veröffentlichten Daten des Statistischen Bundesamtes in Deutschland.

Author(s)

Marco Nink ist Director of Research and Analytics, EMEA, bei Gallup.

James Rapinac hat an diesem Artikel mitgearbeitet.

Aus dem Englischen übersetzt von Alexandra Bauer.


Gallup https://www.gallup.com/de/654653/f%25C3%25BChrungskr%25C3%25A4fte-deutschlands-hartn%25C3%25A4ckigem-fachkr%25C3%25A4ftemangel-gegensteuern.aspx
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